Samstag, Juli 08, 2006

Abschlepporgie

Wer als Anwohner das Schiersteiner Hafenfest beobachten kann, der wird Zeuge täglichen Abschleppens. Aus unserem Badezimmerfenster direkter Nähe sehe ich die letzten Parkplätze vor dem - und den Eingangs zum - Fest. Gestylte Pubertierende, aufgedonnerte 40-jährige, Familien mit Buggys und die coolen "Junggebliebenen"; alle schleppen irgendwie ab.

Die Jungs mit weißen Hosen und aufgeknöpftem, schwarz-seidenen Hemd schleppen die "Nein-ich-bin-schon-18" (fünfzehnjährigen) Mädels ab. Oder auch manchmal andersherum - so genau weiß man das nie. Und eigentlich interessiert es auch nicht weiter. Zugegebenermaßen noch die angenehmste Form des Abschleppens.

Die anderen schleppen sich einen ab. Wickeltasche, Kinderspielzeug, Buggy und der gewonnene Riesenbär sind in der Summe sehr unhandlich. Weil er ein guter Papa ist, hält das schon aus. Schließlich trägt seine bessere Hälfte schwer an der Zuckerwatte. Meist schleppen sie ein Kleinkind mit sich herum, welches noch nicht nach Hause will und dies lautstark der Umgebung mitteilt. Das Baby im Buggy schreit kräftig mit.
Insgesamt eine sehr nervige Form des Abschleppens - wiegt man auch das psychiche Gewicht einer solchen Situation.

Meistens werden auch massenweise Preise abgeschleppt. Ein großer Teil davon ist nutzloser Ramsch, der als Staubfänger in oder auf einer Kommode enden wird. Wie etwa mundgeklöppelte Sitzkissen oder Plüschmonster von der Größe einer Doppelgarage und dazu Pflanzen vom "Jedes-Los-gewinnt"-LKW mit der bunten Leuchtreklame. Hauptsache das Gefühl erleben, einen echten Gewinn verbuchen zu können. Oder auch die Gewissheit, als Schnäppchenjäger nach erfolgreicher Jagd das Fest zu verlassen.
Eine etwas verblendete Form des Abschleppens.

Wenn die Nacht hereinbricht, beginnt eine andere Zeit des Abschleppens. Ist schon ein bisschen naiv zu glauben, direkt am Eingang zum Fest sei noch ein Parkplatz frei. Nicht für die Daimler, nicht für die Golf (egal wie tief und laut) und auch nicht für Vans und Jeeps dieser Welt. Wer das dennoch versucht und sein Gefährt etwas zu dumm parkt, der wird von der Polizei abgeschleppt. Schließlich wollen Abschleppdienste und Taxifahrer auch ein paar Euros abschleppen.
Lukrativ für die Einen - lehrreich für die Anderen dieses Abschleppen.

Morgen werde ich abgeschleppt. Von den Kindern als wandelnder Geldbeutel.
Dann besuchen wir auch das Hafenfest.

6 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Na da wünsche ich mal viel Spass beim Riesenplüschtier-Abschleppen ;-)

Anonym hat gesagt…

Toller Text, hat mir gut gefallen.

Ui bei so einem Blumenmann hab ich auch schon mal gekauft. 3 Pflanzen zehn Euro plus Eine gratis. ;)

Oles wirre Welt hat gesagt…

Toller Text im Schlepptau! :)

Pe Pe hat gesagt…

@raphael: Leider kein Plüschtier gewonnen :(

@b-l-ondgirl: Vielen Dank. Die Pflanzen leben sicherlich dank fürsorglicher Pflege noch immer. Oder?

@ole: Vielen Dank - Lob aus Deinem Munde wiegt doppelt (srry an die anderen, aber ihr müsst mal Ole´s Texte lesen).

Oles wirre Welt hat gesagt…

Heidewitzka, Du tust was für meine Gesichtsdurchblutung; ich werd ganz rot! :) Und: Gern.

Pe Pe hat gesagt…

Tja Ole - Ehre wem Ehre gebührt.